Krebstherapie in Europa relativ billig

Die Politiker tendieren auch in den reichsten Staaten Europas immer mehr dazu, die Aufwendungen für das ureigenste Interesse der Menschen - die Gesundheit - in Frage zu stellen. Krebstherapie in Europa relativ billigStatt auf Rationalisierung wird auf mehr oder minder versteckte Rationierung gesetzt. Doch selbst die aufwendigen modernen Krebstherapien sind im Vergleich zu anderen Kosten nicht exorbitant hoch.

„Weltweit gibt es pro Jahr elf Millionen neue Krebspatienten. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache. In Europa sind das pro Jahr 1,7 Millionen Tote. Doch in die Krebsbehandlung fließen in Europa nur fünf bis sieben Prozent der Aufwendungen für das Gesundheitssystem. Und davon machen nur zehn Prozent die Arzneimittel aus. Der größte Teil geht in die Spitalsaufenthalte“, sagte am Sonntag am Rande des Europäischen Onkologenkongresses in Barcelona (bis 27. September) die deutsche Expertin Nadja Harbeck von der Technischen Universität München.

Die Wissenschafterin hat sich den Einfluss neuer Therapien auf die Patienten und ihre Familien angesehen: „Die Überlebensraten der Krebspatienten steigen. Mit den neuen Medikamenten können wir unheilbare Erkrankungen zu chronischen Erkrankungen machen. Ein Drittel der zwischen 1995 und 2003 in Europa erzielten Reduktion der Krebs-Sterblichkeit ist auf neue Medikamente zurückzuführen.“

Im jüngsten in der angesehenen britischen Medizin-Fachzeitschrift „The Lancet“ publizierten Vergleich der Krebs-Überlebensraten in Europa schnitt Österreich ausgesprochen gut ab. Mit Staaten wie Schweden, Finnland und Italien bildete es in der vor wenigen Wochen erschienenen Studie die Spitzengruppe. Dann folgten im mittleren Feld Länder wie Frankreich, Spanien und Deutschland. Nadja Harbeck: „Das Schlusslicht war Polen. Doch dazu gehörten auch andere osteuropäische Staaten, Großbritannien und Dänemark.“ Die Expertin ergänzte gegenüber der APA: „Es kommt offenbar darauf an, wie sinnvoll das vorhandene Geld verwendet wird.“

Wobei die reale Gewichtung von Gesundheitswesen und anderen gesellschaftlich relevanten Themen von der Politik offenbar völlig verkannt wird. Keith Spencer, Vertreter von „EuropaColon“, einer Patienteninitiative, die Lobbyismus für eine bessere Vorsorge, Früherkennung und Therapie von Dickdarmkrebs in Europa betreibt: „In Europa wird pro Jahr bei rund 400.000 Personen Dickdarmkrebs diagnostiziert. 210.000 Patienten sterben. Das ist die fünffache Zahl der Verkehrstoten. Wenn man da bedenkt, was alles für die Verhinderung von tödlichen Verkehrsunfällen getan wird ...! Dabei könnten durch Früherkennung 50 bis 90 Prozent der Dickdarmkrebs-Todesfälle verhindert werden.“

Spencer berichtete von bitteren Erfahrungen in Europa: „Häufig sind in den einzelnen Staaten die modernsten Medikamente gegen Dickdarmkrebs zwar theoretisch vorhanden, praktisch aber für die Patienten nicht erreichbar. In Großbritannien hatten wir einen Mann, bei dem ein Dickdarmkarzinom im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wurde. Er sollte die neueste Therapie nicht bekommen, erstritt sie sich aber vor Gericht. Er hat immerhin noch die Geburt des ersten Enkelkindes erlebt und mit ihm die ersten Weihnachten feiern können.“

Es ist somit durchaus anzunehmen, dass sich mündige Bürger in Europa die in den vergangenen Jahren immer finanzorientierte Gesundheitspolitik in Zukunft nicht mehr bieten lassen werden. Denn Patient wird irgendwann jeder Mensch in seinem Leben.

Das sagte dazu vor kurzem bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen der niederländische Experte Rudi Wesendorp: „Warum fährt ein BMW besser als ein anderes Auto? Weil eben mehr Geld drinsteckt. Gute Gesundheitsversorgung braucht Geld. Fragen Sie doch die Bevölkerung in Österreich und in den Niederlanden, ob sie mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert sehen will. Die Antwort ist ’Ja’. Es ist das Problem der Politiker, dass sie der Bevölkerung nicht gut genug zuhören.“

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